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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 28.02.2007
Aktenzeichen: 322 Ss 39/07
Rechtsgebiete: StVO, OWiG
Vorschriften:
StVO § 22 | |
OWiG § 130 |
Oberlandesgericht Celle Beschluss
In der Bußgeldsache
wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit
hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts St. vom 17.03.2006 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### am 28. Februar 2007 beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen mit der Maßgabe verworfen, dass
a) der Betroffene wegen fahrlässigen Unterlassens einer Aufsichtsmaßnahme, die erforderlich ist, um in einem Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber des Unternehmens treffen, zu einer Geldbuße von 50 € verurteilt wird,
b) die Liste der angewendeten Vorschriften lautet: §§ 9,130 OWiG, 22 Abs. 1 StVO, 24 StVG, 1 BKatV i. V. mit Nr. 120.1 BKat.
Gründe:
I.
Der Betroffene ist Geschäftsführer der H.E.S. H. Elektrostahlwerke GmbH und dort für den Bereich der Ladungssicherung zuständig. Die betriebliche Organisation der H.E.S. H. Elektrostahlwerke GmbH sieht kein Personal für die Überprüfung der Verladetätigkeit von Mitarbeitern der Speditionen vor, durch die die GmbH ihre Waren transportieren lässt.
Am 12. Juli 2005 wurde ein Lkw der Spedition H. bei der H.E.S. H. Elektrostahlwerke GmbH mit Stahlteilen beladen. Die Sicherung der Stahlteile auf dem Lkw war unzulänglich. Die über 24 t schweren Stahlteile waren formschlüssig zur Stirnwand verladen, wobei diese Stirnwand nicht in der Lage war, 60 % des Ladungsgewichts zu halten. Die auf Kanthölzern abgelegte Ladung war lediglich mit sechs Zurrgurten festgezurrt, die Weiterfahrt nach einer Polizeikontrolle wurde nur nach Anlage von 12 weiteren Zurrgurten gestattet. Antirutschmatten wurden nicht verwendet. Die vorhandene Sicherung reichte nicht aus, um die Stirnwand des Lkw ausreichend zu entlasten.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen deshalb wegen fahrlässigen Zulassens der Inbetriebnahme eines Fahrzeugs trotz wesentlich beeinträchtigter Verkehrssicherheit durch die Sicherung der Ladung zu einer Geldbuße von 75 € verurteilt. Gegen diese Verurteilung wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Er meint, für die Ladung eines Fahrzeuges seien nur dessen Fahrer und der Halter verantwortlich. Ob die Pflicht zur sicheren Verladung aus § 22 StVO daneben weitere Personen treffe, sei in der obergerichtlichen Rechtsprechung noch nicht geklärt und werde in der Kommentarliteratur unterschiedlich beantwortet.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen und die zugelassene Rechtsbeschwerde zu verwerfen.
II.
Die gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zur Fortbildung des Rechts zugelassene Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Die Pflicht zur Sicherung der Ladung eines Kraftfahrzeuges gem. § 22 StVO trifft neben den Fahrer und den Halter auch jede andere für die Ladung eines Fahrzeuges verantwortliche Person. Dies hat bereits das OLG Stuttgart (Beschluss vom 27.12.1982, VRS 64, 308, 309) im Falle eines Leiters von Ladearbeiten zutreffend entschieden (zustimmend Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 22 Rdnr. 27; ablehnend - ohne Begründung - Jagow in: Janiszewski u. a., Straßenverkehrsrecht, 19. Aufl., § 22 Rdnr. 3). Für dieses Ergebnis spricht bereits die Systematik der Vorschrift. Während andere Normen der StVO eine Verantwortlichkeit an bestimmte Funktionen knüpfen - so richtet sich etwa § 23 StVO ausdrücklich an den Fahrzeugführer und verpflichtet ihn u. a. zur Sorge für die Ladung des Fahrzeuges (dazu auch OLG Stuttgart a. a. O.) -, lässt § 22 StVO den Adressatenkreis offen. Daraus folgt, dass die Verpflichtung aus § 22 StVO alle Personen trifft, die mit dem Ladevorgang befasst sind. Dazu gehört auch der Versender des Ladegutes.
Diese Auslegung ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Das Bayerische Oberste Landesgericht (Beschluss vom 14.11.1962, VRS 24, 300, 302) hat im Hinblick auf § 19 der vormaligen Fassung der Straßenverkehrsordnung, der ebenfalls die Sicherung der Ladung eines Fahrzeuges betraf, ausgeführt, jene Vorschrift richte sich mangels einer einschränkenden Bestimmung des Adressatenkreises als Verhaltensnorm nicht nur an den Führer und den Halter eines Fahrzeuges, sondern an jeden, der für die ordnungsgemäße Verstauung der Ladung verantwortlich ist. In Kenntnis dieser Rechtsprechung hat der Verordnungsgesetzgeber bei der Neufassung der Straßenverkehrsordnung im Jahre 1970 auch in § 22 StVO keine einschränkende Bestimmung des verantwortlichen Personenkreises aufgenommen. Daraus folgt, dass die mit dem Ladevorgang verbundenen Pflichten weiterhin jede der daran beteiligten Personen treffen sollte.
Dies entspricht auch dem Schutzzweck von § 22 StVO. Die Norm schützt andere Verkehrsteilnehmer sowie weitere Personen und Gegenstände, die durch die Beförderung der Ladung gefährdet, verletzt oder beschädigt werden können (vgl. Hentschel a. a. O. § 22 Rdnr. 12). Ein wirksamer Schutz durch sichere Verladung hängt aber weitgehend von den Eigenschaften der zu verladenden Gegenstände ab. Diese Eigenschaften - wie etwa Gewicht, Rutschfestigkeit und Material des Verladegutes - kennt vor allem der Versender, der die Sicherheit der Verladung deshalb von allen Beteiligten am zuverlässigsten beurteilen kann. Es ist deshalb nur folgerichtig, ihn in den Kreis der nach § 22 StVO verantwortlichen Personen einzubeziehen.
Die Straßenverkehrsordnung gilt auch nicht nur für Vorgänge auf der Straße und richtet sich auch nicht nur an Halter und Fahrer von Kraftfahrzeugen, wie der Betroffene meint. Die StVO enthält etliche Regelungen, die andere Personen als Halter und Fahrer treffen. Dies gilt neben § 22 StVO etwa für §§ 28, 31, 32, 33 StVO, wodurch Personen in Anspruch genommen werden, die nicht oder jedenfalls nicht in der Eigenschaft als Fahrer oder Halter eines Kraftfahrzeuges am Straßenverkehr teilnehmen.
Soweit der Betroffene ausführt, er habe als Versender keinen Einfluss auf die Tätigkeit des Spediteurs oder dessen Fahrers, verkennt er seine Befugnisse aus dem Frachtvertrag. Zudem gibt ihm die Rechtsordnung bei groben Verstößen gegen gesetzliche Bestimmungen verschiedene Eingriffsrechte, etwa das Recht aus § 16 OWiG.
Im Übrigen dürfte den Versender in Fällen, in denen sich der Fahrer einer Spedition über seine Verpflichtungen aus § 22 StVO hinwegsetzt und sich dabei auch dem Einfluss des Versenders entzieht, jedenfalls in aller Regel kein Schuldvorwurf einer Ordnungswidrigkeit treffen.
2. Allerdings ist der Betroffene als Geschäftsführer der H.E.S. H. Elektrostahlwerke GmbH innerhalb des Unternehmens ausweislich der Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht selbst für die Verladung zuständig, vielmehr ist er zuständig für die betriebliche Organisation im Zusammenhang mit der Verladetätigkeit. In dieser Funktion hat er die erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen für die Kontrolle der Verladungen unterlassen. Er hat sich deshalb nach § 130 OWiG ordnungswidrig verhalten, weil wegen der unterlassenen Aufsichtsmaßnahmen der im angefochtenen Urteil festgestellte Verstoß gegen § 22 StVO erfolgt ist.
Eines Hinweises nach §§ 79 Abs. 3 OWiG, 265 Abs. 1 StPO bedurfte es nicht, weil nicht zu erkennen ist, dass der Betroffene sich gegen diesen Vorwurf anders hätte verteidigen können, als er dies bisher getan hat.
3. Die Höhe der Geldbuße wegen der Aufsichtspflichtverletzung richtet sich wesentlich nach der Bedeutung und Schwere der im Betrieb begangenen Zuwiderhandlung (vgl. Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 130 Rdnr. 28 a). Für einen Verstoß gegen § 22 Abs. 1 StVO beträgt der Regelsatz nach der laufenden Nr. 102.1 der Bußgeldkatalogverordnung 50 €. Diese Geldbuße ist auch hier angemessen. Die in dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegte laufende Nr. 189.3.2 der Bußgeldkatalogverordnung mit einer Regelgeldbuße von 75 € betrifft andere Fälle und gilt im Übrigen nur für Halter und Fahrer eines Kraftfahrzeuges.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 79 Abs. 3 OWiG, 473 Abs. 1 StPO. Trotz des Teilerfolgs war die Gebühr nicht zu ermäßigen, weil nicht anzunehmen ist, dass das Rechtsmittel nicht eingelegt worden wäre, wenn bereits das Amtsgericht nur auf eine Geldbuße von 50 € erkannt hätte (§ 473 Abs. 4 StPO).
Ende der Entscheidung
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